Agri-Textile

Nachhaltigkeitsmanagement im Agri-Food-Business und der Mode- und Textilwirtschaft: Ein Vergleich

Viele Player im Agri-Food-Business haben sich in Deutschland als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit erwiesen. Mittelständische Familienunternehmen haben Nachhaltigkeits-management-Systeme eingeführt, um Umweltauswirkungen zu reduzieren, Ressourcen-effizienz zu verbessern und sozialen Verantwortlichkeiten gerecht zu werden. Die Herausforderungen sind immer noch groß, zumal die großen Kunden des Lebensmittel-einzelhandels immer mehr Forderungen in diesem Bereich an ihre Lieferanten weitertragen.

Im Gegensatz dazu steht die Mode- und Textilwirtschaft vor einzigartigen Herausforderungen auf dem Weg zu nachhaltigeren Praktiken. Diese Branche ist geprägt von globalen Lieferketten, die oft bis nach Fernost und andere Länder außerhalb der EU reichen. Trotz zunehmender Sensibilisierung der Verbraucher für nachhaltige Mode stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, nachhaltige Materialien zu beschaffen, die Umweltauswirkungen der Produktion zu minimieren und faire Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Lieferkette sicherzustellen. Der Druck seitens der Verbraucher:innen, Regierungen und NGOs, nachhaltigere Praktiken zu implementieren, nimmt zu, aber der Übergang gestaltet sich oft schwierig und langwierig.

Stellen wir heute einmal für beide Branchen gegenüber, wie systematisch sie die wichtigsten Nachhaltigkeits-Herausforderungen angehen:

 

Nachhaltigkeits-Management mit System

 

Die meisten Unternehmen der Lebensmittel-Wirtschaft haben sich schon seit einigen Jahren systematisch mit dem nachhaltigeren Wirtschaften beschäftigt. Es wurde eine entsprechende Organisation und ein Management-System aufgebaut. Beispielsweise sind fast 100 Unternehmen nach dem ZNU-Standard zertifiziert oder betreiben ihr ganzheitliches Management-System nach dem Prinzip des ZNU (Zentrum für nachhaltige Unternehmensführung der Universität Witten/Herdecke). Kern der Vorgehensweise ist die Wesentlichkeitsanalyse, durch die sich die jeweilig entwickelte Nachhaltigkeitsstrategie auf die zunächst wichtigsten Handlungsfelder aus Sicht der Stakeholder und vom Unternehmen fokussiert.

 

In der Mode- und Textilwirtschaft gibt es wenige Unternehmen, die ihr Nachhaltigkeitsmanagement mit System betreiben. Wesentlichkeits- und Stakeholder-Analysen sind selten zu finden. Viele Fashion-Player bearbeiten zig Handlungsfelder gleichzeitig und neigen dazu sich zu verzetteln. Einige wenige versuchen sich abzusichern, in dem sie nur noch innerhalb der EU oder sogar nur in Deutschland produzieren. Es gibt aber auch recht berühmte Mode-Unternehmen, die sich zumindest in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mit dem Thema nachhaltigerer Textilien zu beschäftigen scheinen.

 

Es gibt einen ganzheitlichen Zertifizierungsansatz mit dem Grünen Knopf: Ein von der Bundesregierung initiiertes Zertifikat für umweltbewusste Bekleidungsproduktion mit höherer sozialer Verantwortung, was extern auditiert wird. Es zielt weniger auf den Aufbau eines Managementsystem ab (das „Wie“) und fokussiert sich eher auf die Umsetzungen (das „Was“). Ein weiterer Standard mit holistischerem Ansatz ist OEKO-TEX® Made in Green, welcher sich auch mehr mit dem „Was“ beschäftigt und kommend von Produktions-Umweltauswirkungen die soziale Verantwortung oben drauf gesetzt hat. Viele Unternehmen haben diese Zertifikate; einige verpflichten nur ihre Partner auf der Produktionsseite. Ein Modeunternehmen ist inzwischen ZNU-zertifiziert und widmet sich somit ganzheitlich dem „Wie“.

 

Trotz der Unterschiede zwischen der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft und dem Fashion- und Textilbusiness gibt es Möglichkeiten für beide Branchen, voneinander zu lernen und Synergien zu nutzen:

  • Das Agri-Food-Business kann von der Modewirtschaft lernen, wie man komplexe Lieferketten transparenter macht und nachhaltige Materialbeschaffung praktiziert. Digitale Technologien können auch in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden, um die Rückverfolgbarkeit von Produkten und Inhaltsstoffen zu verbessern.
  • Umgekehrt können Textilunternehmen von den Fortschritten des Agri-Food-Sektors in Bezug auf ökologischere Landwirtschaft und regionale Lieferketten profitieren. Die Integration von Nachhaltigkeitsmanagement-Systemen und die Förderung transparenter Produktionsprozesse können dazu beitragen, die Umweltauswirkungen der Modeindustrie zu minimieren und ethische Standards zu verbessern.

 

Insgesamt ist die Einführung nachhaltigerer Wirtschaftspraktiken ein komplexer, aber notwendiger Prozess für beide Branchen. Durch meine Erfahrungen von Best Practices aus dem Agri-Food-Business und der Mode- und Textilwirtschaft können wir zusammen Ihr Nachhaltigkeitsmanagement mit Blick über den Branchen-Tellerrand hinaus gemeinsam entwickeln. Lassen Sie uns reden…